Sumit Nagal

Mit 27 Jahren hat Sumit Nagal bereits eine Tennisreise hinter sich, die sich in seiner vorrangig durch Landwirtschaft geprägten Heimatstadt Jhajjar in Indien wohl kaum jemand hätte vorstellen können. Die aktuelle Nummer 302 der Welt jagt in seiner Karriere nicht nur dem eigenen Ruhm hinterher. Er spielt für seine Familie, für sein Land und für die Überzeugung, dass Indien auch in einer anderen Sportart als Cricket erfolgreich sein kann.

„Mein Ziel im Tennis ist es, so gut zu spielen, dass die Leute nicht mehr sagen: Indien kann nur Cricket“, sagt Nagal. „Ich möchte derjenige sein, der diesen Weg anführt.“

Vom indischen Bauernhof in die Tenniswelt

Mit Unterstützung seines Vaters entdeckte Nagal im Alter von acht Jahren seine Liebe zum Tennis, nachdem er zuvor täglich acht bis zehn Stunden Cricket spielte. Bald schlug er im örtlichen Sportclub Bälle – bis eine zufällige Begegnung alles veränderte. Bei einem Nachwuchsturnier sprach er den ehemaligen Doppel-Weltranglistenersten Mahesh Bhupathi direkt an: „Mr. Bhupathi, könnten Sie sich bitte mein Spiel ansehen?“

Aus mehreren tausend Bewerbern wurden nur drei Kinder in Bhupathis Akademie aufgenommen. Nagal war einer von ihnen.

„Dieser eine Satz hat mein Leben verändert“, erinnert er sich.

Hätte ich ihn nicht angesprochen, würde ich heute nicht hier sitzen. Meine Familie hatte damals nicht genug Geld, um mich zu unterstützen. Ich bin sehr stolz, dass ich das in dem Alter geschafft habe.

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Zwischen 1999 und 2002 gewann Mahesh Bhupathi fünf Grand-Slam-Titel im Doppel – und inspirierte damit unzählige Landsleute.

Zwischen 1999 und 2002 gewann Mahesh Bhupathi fünf Grand-Slam-Titel im Doppel – und inspirierte damit unzählige Landsleute.

Heute trainiert Nagal in der Nensel Tennis Academy im niedersächsischen Peine und pendelt zwischen Turnieren und Training. Sein Deutsch, gibt er zu, sei noch ausbaufähig. „Ich verstehe viel, aber ich kann nicht sprechen. Dafür bräuchte ich einen Lehrer. Nur durchs Zuhören lernt man Deutsch schwer. Spanisch ist da einfacher, da kann man schneller reden. Aber auf der Tour sprechen alle Englisch, und dann wird man ein bisschen bequem.“ In diesem Jahr gab er auch sein Debüt in der Tennis Channel Bundesliga und wurde mit Kurhaus Lambertz Aachen Vizemeister.

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Karrierehöhepunkt 2024

Die Saison 2024 beschreibt Nagal als die beste seiner bisherigen Laufbahn: „Ich habe mit Position 68 meine höchste Platzierung erreicht. Ich konnte bei den Olympischen Spielen antreten, was eine sehr schöne Erfahrung war, und habe alle großen Turniere bestritten. Bis September lief alles sehr gut. Dann hat der Körper nicht mehr so mitgespielt… Ich hatte mit einer Rückenverletzung zu kämpfen.“

Zu den Höhepunkten zählte sein Turniersieg beim Neckarcup in Heilbronn. Als Titelverteidiger zierte in diesem Jahr sein Gesicht das offiziellen Plakat des preisgekrönten ATP-Challenger-Turniers.

„Es war ein warmes Gefühl, so etwas in Deutschland zu sehen“, sagt er. „Ich gehöre nicht zu diesem Land… aber es war sehr nett von den Organisatoren.“

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Als Junior gewann Nagal gegen die späteren ATP-Top-10-Spieler Berrettini, Hurkacz, Shapovalov und Tiafoe.

Als Junior gewann Nagal gegen die späteren ATP-Top-10-Spieler Berrettini, Hurkacz, Shapovalov und Tiafoe.

Finanzielle Herausforderungen

Abseits des Courts interessiert sich Nagal für Gaming, Internet-Surfen und die japanische Kultur, Inspiration für seine Tattoos am linken Arm: ein Tempel, ein Samurai und eine Lotusblüte. „Es ist ihr Stolz und ihre Einstellung zum Leben, die mir Energie geben“, erklärt er.

Hinter der Leidenschaft steht jedoch ein nüchternes Bewusstsein für die finanziellen Realitäten des Tennissports. Nagal spricht offen über die Belastung für niedriger platzierte Profis:

„Wenn man bei einem Challenger nicht mindestens das Halbfinale erreicht, macht man jede Woche Verluste. Mit Trainer sind liegen die Kosten vielleicht bei 80.000 Euro pro Jahr. Ich habe 2023 rund 100.000 Euro Preisgeld verdient — durch zwei Challenger-Siege und zwei Halbfinals. Man muss konstant gut spielen, sonst geht die Rechnung nicht auf.“

Sein Blick bleibt dennoch nach vorne gerichtet — auf Wettkämpfe, Siege und Vorbildwirkung. Oder, wie er es selbst formuliert: „Ich möchte derjenige sein, der den Weg anführt.“