Oscar Otte @BMW Open 2022 München

Oscar, fast genau ein Jahr hast du auf der Tour gefehlt und nicht gespielt. Jetzt kommst du wieder zurück. Wie ist es dir in den vergangenen Monaten ergangen?

Ganz gut. Klar, es war eine harte, lange Zeit. Ich wurde im November operiert, an der Ferse, an der Achillessehne. Ich habe lange Reha gemacht, bis es endlich wieder mit Tennistraining und richtigem Aufbautraining losging. Es war schleppend. Jetzt bin ich froh, dass ich wieder alles schmerzfrei machen kann – egal, ob es Alltag ist oder Training. Ich muss an nichts mehr denken, alles ist wieder wie automatisiert. Vor der Bundesliga habe ich ein paar Turniere gespielt, die waren nicht so gut – aber klar, wenn man ein Jahr komplett raus war, dann ist der Anfang extrem rostig.

Da fällt vermutlich die fehlende Matchpraxis auf…

Ja, komplett. Im Training habe ich viel gemacht, vernünftig trainiert. Aber wenn man wieder zum Turnier kommt, das unterschätzt man. Wahrscheinlich hatte ich hohe Ansprüche: ‚Ich spiele jetzt die kleinen Turniere, jetzt muss ich am besten alles gewinnen und allen wieder zeigen, dass ich besser bin.‘ Aber das ist nicht die Realität. Also muss ich mir ein bisschen Zeit nehmen. Ich meine, dass die Bundesliga jetzt ist, ist perfekt. Da kann ich viele Matches auf hohem Niveau sammeln, viele gute Gegner. Das wird helfen.

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Oscar Otte: "Ich wollte mich ein bisschen distanzieren!"

Abgesehen von Reha oder Training – wie sah dein Alltag in der Pause aus?

Meine Tochter wird jetzt zwei Jahre alt. Das ist ein Alter, wo sie extrem viel Energie hat und nicht schlafen will. Deswegen habe ich mich immer mit meiner Frau abgewechselt. Tagsüber war ich viel mit den Hunden draußen. Die Kleine liebt die Hunde über alles, die knutscht die ab und umgekehrt beschützen die sie – obwohl sie zwei kleine Hosenscheißer sind, die Hunde. Dann haben wir was mit den Großeltern zusammen gemacht – einfach so alltägliche, banale Dinge. Aber genau die sind mehr zur Wertschätzung gekommen. Das war eine sehr schöne Zeit.

In welchen Momenten hast du das Tennis im Gegenzug vermisst?

Das gab es tatsächlich nicht. Ich habe fast kein Tennis geguckt, vielleicht immer mal wieder ein Match, wenn Struffi oder so gespielt haben. Aber sonst hatte ich keine Lust. Ich wollte mich da nicht reinsteigern oder darauf fokussieren, sondern mich eher ein bisschen distanzieren. Natürlich fehlt einem das Tennis und Turniere spielen. Wenn du dann doch ein Match schaust und denkst: ‚Da hast du vor ein, zwei Jahren gespielt‘, ist das teilweise ein bisschen hart. Aber das motiviert einen auch, dass man wieder dahin möchte. Das Einzige, was ein bisschen weh tat, weil es mein absolutes Lieblingsturnier ist, war Halle. Es ist um die Ecke, da konnten immer viele Freunde oder meine Eltern zugucken kommen. Das ist ein besonderes Turnier.

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Karriereende? – "Natürlich waren Zweifel da!", gibt Oscar Otte zu

Du hast eben von der schleppenden Zeit gesprochen. Gab es einen Moment, in dem du ein Karriereende in Erwägung gezogen hast?

Nee, natürlich waren Zweifel da, weil es Ewigkeiten gedauert hat und das innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre die dritte OP war. Davor hatte ich zweimal eine Knie-OP an beiden Seiten. Wenn die Reha sich dann so lange zieht und kein Ende in Sicht ist, dann ist man schon am Zweifeln. Es geht einem ein bisschen die Luft flöten. Man gewöhnt sich an den Alltag, wenn man zu Hause ist. Man wird bequem und faul. Das ist mir ein bisschen passiert. Man denkt über ein Karriereende zwar nach, aber es war nie ein Thema. Ich freue mich einfach, dass ich jetzt wieder alles schmerzfrei machen kann.

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2022 kletterte Oscar Otte auf Platz 36 der Herren-Weltrangliste. Mit seinem unorthodoxen Spiel machte er zahlreichen Spielern Schwierigkeiten – wie er auch heute noch weiß.

2022 kletterte Oscar Otte auf Platz 36 der Herren-Weltrangliste. Mit seinem unorthodoxen Spiel machte er zahlreichen Spielern Schwierigkeiten – wie er auch heute noch weiß.

Otte über seinen Sieg gegen Justin Engel: "Wollte es ihm so ungemütlich wie möglich machen!"

Vergangenes Wochenende hast du dein Comeback in der Tennis Channel Bundesliga gegeben. Dein erstes Match war gegen den Youngster Justin Engel. Was war dein erster Gedanke, als du das Line-Up gesehen hast?

Ich habe viel von ihm gelesen und auch im Fernsehen gesehen. Aber es ist mir eigentlich relativ egal, gegen wen ich spiele. Mir war wichtig, dass ich wieder auf dem Platz stehe. Ich war aufgeregt. Es war Heimspiel in Bredeney. Ich wurde aufgestellt. Das ist nicht selbstverständlich, nachdem man so lange verletzt war. Aber es gibt relativ viel Vertrauen und Respekt vom Verein mir gegenüber, weil ich die letzten Jahre gut gespielt und immer Punkte gemacht habe. Da war ich selbst überrascht, aber bin entspannt ins Match gegangen. Ich habe mich darauf gefreut und im Endeffekt echt gut gespielt.

Das Ergebnis gegen Justin war sehr deutlich, 6:0, 6:3. Wie war dein Matchplan?

Ich habe mich darauf konzentriert, zu meinem alten Spiel zu finden. Das hat an dem Tag gut geklappt. Ich war nicht mega überrascht, weil ich weiß, wie ich spielen kann, wenn ich gut in Form bin. Ich habe meinen Stiefel runtergespielt, habe versucht, es ihm so ungemütlich wie möglich zu machen, viel variiert, gut aufgeschlagen, gut retourniert. So, wie mein Spiel ist. Es waren eklige Bedingungen. Wir mussten einmal abbrechen, weil es geregnet hat. Die Plätze waren rutschig und schmierig. Ich weiß nicht, ob mir das zugutekam. Aber ich konnte ein bisschen mehr mit Slice und mit Stopps spielen. Das finden die meisten unangenehm. Die meisten spielen nur noch drauf oder rein, wenn man das im Fernsehen sieht. Deswegen war es eine gute Leistung. Es hilft am Anfang der Bundesliga-Saison, wenn man direkt ein gutes Match hat. Mir hat es natürlich geholfen und der Mannschaft und dem Verein. Alle waren happy.

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Warum die Bundesliga perfekt für Oscar Ottes Comeback ist

Wie helfen dir die Bundesliga und dein Verein bei deinem Comeback nach der Verletzung?

Ich glaube, ich kann von allen deutschen Spielern reden, dass sich alle auf die Bundesliga freuen. Es ist eine coole Zeit und wir sind eine geile Truppe. Wir kennen uns alle gut privat. Das hilft. Man hat viele Matches mit ein bisschen Pause dazwischen und spielt gegen gute Gegner. Ich habe das für mich als Block gesetzt: Unter der Woche hart trainieren, am Wochenende Liga spielen. Danach setze ich nochmal einen Block für die Turniere, die ab Mitte August kommen. Für mich ist das perfekt. Klar, für andere Spieler ist die Liga mitten in der Saison. Das kann stressig werden. Bei mir ist das gerade ein anderes Thema. Aber ich habe bewusst keine Turniere dazwischen gemeldet, damit ich mich voll auf mich und meinen Körper fokussieren kann. Das Ziel: viel spielen, Einzel und Doppel, nochmal Matchpraxis sammeln, für alles, was danach kommt.

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Dein Verein, der TC Bredeney, ist mit einem Sieg gegen die Titelverteidiger aus Großhesselohe gestartet. Welche Gegner könnten für euch die größte Herausforderung sein und auf welche Begegnung freust du dich besonders?

Gegen Großhesselohe haben wir mit Bredeney ein Statement gesetzt. Großhesselohe ist letztes Jahr knapp Meister geworden, punktgleich mit uns. Ich glaube, die hatten ein paar Matchpunkte mehr, das war schon ziemlich eng. Deswegen war das für uns erstmal gut, in die Saison zu starten. Jetzt freue ich mich auf Freitag. Wir spielen in Köln, wo ich jahrelang gespielt habe. Das ist für mich ein persönliches Highlight. Auch sonst freut man sich auf jedes Spiel, weil es einfach Spaß macht. Bundesliga ist immer was anderes als ein Turnier. Man ist als Team unterwegs, das bockt nochmal mehr. Alle Spiele werden schwer, alle Teams sind gut. Man sieht, wie eng das beieinander ist. Kurhaus Aachen hat mit einer Mega-Truppe das erste Spiel gespielt. So werden sie nicht jedes Spiel spielen. Wir sind solide und breit aufgestellt, haben viele Deutsche, was auch ein bisschen helfen kann, weil die extra motivierter sind, in Deutschland zu spielen. Wir wollen auf jeden Fall Meister werden und haben das Team dafür. Es wird schwer für jedes Team, uns zu schlagen. Aber mit Matchtiebreak und allem, kann alles passieren – in jede Richtung.

Wie sehen deine Pläne und Ziele für den Rest der Saison aus?

Nach der Bundesliga werde ich noch drei, vier Futures auf Asche in Deutschland mitnehmen. Ich habe drei Punkte aktuell und habe noch ein paar Turniere mit dem Protected Ranking von 600, sodass ich bei den Futures im Hauptfeld bin. Ein klares Ziel ist: wieder hochspielen, auf der Challenger Tour reinkommen und dann schauen, was drin ist. Ich habe mir keine Deadline gesetzt, wie zum Beispiel Ende des Jahres die Australian Open-Quali zu schaffen. Das hat man im Hinterkopf, vielleicht ein kleines Ziel. Aber das ist ein weiter Weg. Erstmal muss ich Futures versuchen zu gewinnen. Das wird ziemlich hart. Aber das möchte ich mir erarbeiten, ohne etwas geschenkt zu bekommen. Aber ich bin relativ entspannt. Wenn ich wieder hochkomme, geil, wenn nicht, dann ist das auch nicht schlimm. Das Leben geht weiter.