Laura Siegemund, Wimbledon 2025

Mit Ehrgeiz, Köpfchen und einer klaren Strategie spielt sich Laura Siegemund bei Wimbledon 2025 so weit wie nie – und überrascht damit nicht nur ihre Fans, sondern auch sich selbst. „Hätte man mir das vorher erzählt, hätte ich es nicht geglaubt“, sagte sie. Ganz aus dem Nichts kommt ihr Lauf aber nicht. Denn: „Wenn ich bestimmte Dinge gut mache, komme ich voran.“

Immerhin spielte sich Siegemund – genau wie Aryna Sabalenka, ihre nächste Gegnerin – ohne Satzverlust bis ins Viertelfinale. Damit wurde sie mit 37 Jahren nicht nur zur zweitältesten Frau, die über die dritte Runde hinauskam, sondern sie stellte gleichzeitig ihre eigene Bestmarke von Runde zwei in Wimbledon ein.

Ihr Erfolgsgeheimnis? Das liegt begründet in ihrem eigenen Weg. Stück für Stück gab die Stuttgarterin Einblicke in ihre Denkweise, in die Arbeitsprozesse und ihre persönliche Strategie auf dem Platz.

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Laura Siegemund: "Habe meinen eigenen Kopf & Ideen"

Laura Siegemund: "Bin sehr konsequent mit meinen seltsamen Eigenheiten!"

Sobald Siegemund den Match-Court betritt, reiht sich ein Ritual an das nächste. Ihre Bewegungsabläufe vor und nach den Ballwechseln scheinen geplant. Wenn sie die Bank verlässt, nimmt sie zwei Schläger mit – einen zum Servieren, einen zum Returnieren. Ist ein Ballwechsel vorüber, geht die Filderstädterin in sich, sie blickt zu Boden, tippelt in kleinen Schritten vor und hinter den Linien. Klingt zeitintensiv? Ist es auch! Doch Verwarnungen oder Beschwerden ihrer Gegnerinnen nimmt Siegemund in Kauf.

„Es ist wirklich nicht meine Absicht, Ärger zu verursachen“, erklärte Siegemund ihre Angewohnheiten. „Ich weiß, dass ich ein paar umstrittene Verhaltensweisen habe. Was ich dazu sagen kann, ist, dass es dabei wirklich um mich geht. Ich versuche nicht, jemanden zu stören, auch wenn man das so interpretieren kann. Diese seltsamen Sachen mache ich schon mein ganzes Leben lang.“

Dass sie die ein oder andere Verwarnung riskiert, ist ihr bewusst. Dennoch bleibt sie ihrer Linie treu: „Ich bin sehr konsequent mit meinen seltsamen Eigenheiten“, lachte sie. Dabei betonte Siegemund: „Das mache ich für mich und nicht gegen andere. So bin ich eben!“

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Ob auf oder neben dem Platz – Laura Siegemund hat ihren eigenen Stil & ihre eigenen Routinen, die ihr zum Erfolg verhelfen.

Ob auf oder neben dem Platz – Laura Siegemund hat ihren eigenen Stil & ihre eigenen Routinen, die ihr zum Erfolg verhelfen.

"Das Gute" an Siegemunds unkonventionellem Spielstil

Was ebenfalls in dieser Erklärung steckt, ist ein weiteres Indiz zu Siegemunds Erfolgsrezept. Die Begrifflichkeiten „für mich“ beschreiben nämlich haargenau, wie Siegemund arbeitet. Immer wieder betonte sie in den vergangenen Tagen, dass sie sich nur auf sich selbst fokussieren wolle: ihre eigene Taktik und ihr eigenes Spiel – die Umwelt ausgeblendet.

Genau wie ihre deutsche Landsfrau Tatjana Maria verfügt Siegemund nämlich über eine Spielweise, die viele ihrer Gegnerinnen als „eher unangenehm“ bezeichnen würden. Denn neben aggressiven Grundlinienschlägen bringt die Rechtshänderin auch ein gutes Slice-Spiel mit. Zudem scheut sie sich nicht, ans Netz vorzurücken oder auch mal den ein oder anderen Stopp einzustreuen. „Ich weiß, dass viele Spielerinnen das nicht mögen, weil es unkonventionell ist. Aber das ist das Gute daran“, sagte sie. „Über die vergangenen Jahre habe ich zu meinem variablen Spielstil auch noch Aggressivität hinzugefügt. Das war früher nicht wirklich meine Stärke.“

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Unkonventionell, aber erfolgreich: Laura Siegemund besticht mit ihrem eigenen Spielstil – einem Mix auf gefühlvollem Slice, Stopps & aggressivem Grundlinienspiel.

Unkonventionell, aber erfolgreich: Laura Siegemund besticht mit ihrem eigenen Spielstil – einem Mix auf gefühlvollem Slice, Stopps & aggressivem Grundlinienspiel.

Laura Siegemund: "Es interessiert mich nicht, wer auf der anderen Seite steht!"

Wenn Siegemund darüber spricht, merkt man, wie perfekt ihre Karriere, ihre Arbeit und ihre Taktik durchgeplant und arrangiert sind. Alles hat Hand und Fuß – eben Struktur.

An diese Strukturen kommt in Siegemunds Alltag auch nichts heran – auch nicht, wenn die amtierende Nummer eins der Welt am Dienstag auf der anderen Seite des Netzes stehen wird. „Ich mache einfach immer mein Ding. Ich verändere mein Verhalten auf dem Platz nicht, je nachdem wer auf der anderen Seite steht. Viele Leute sehen das vielleicht anders. Aber ich mache einfach das, womit ich mich wohlfühle, weiter.“

Was ihr gegen die zweifache Grand-Slam-Siegerin helfen könnte? „Ich meine das auf eine respektvolle Weise, aber es interessiert mich nicht, wer auf der anderen Seite steht. Ich konzentriere mich auf mich und meinen Job. Ich spiele nicht gegen einen Namen, sondern gegen einen bestimmten Spielstil. Vielleicht ist das mein Geheimnis, warum ich gut gegen solche Top-Leute performen kann.“

Ihre Taktik wirkt dabei simpel: „Entweder man findet gute Lösungen und führt sie gut aus, dann kommt man weiter, oder man tut es nicht und kommt nicht voran.“

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So bereitet sich Siegemund auf ihre Matches vor – und wie ihr Partner dabei hilft

Auch wenn sich Siegemund vor und während des Turniers nicht mit der Auslosung und ihrem potentiellen Weg befasst, übernimmt die 37-Jährige ihre Gegnerinnen-Analyse gerne eigenhändig. „Ich mache da sehr viel selber. Natürlich halte ich Rücksprache mit meinem Freund und Coach, ob er noch andere Ideen hat.“

Vorerst zieht sich die Deutsche dann zurück, schaut sich ihre Matches und vielleicht einige Ballwechsel ihrer Kontrahentin an. „Ich komme im Prinzip mit meinem Matchplan an, weil ich mir die Gegnerin gerne selber anschaue. Damit habe ich das beste Gefühl.“ Sie gesteht: „Das kostet auch viel Zeit, dafür weiß ich zu 100 Prozent, was mich erwartet, ohne dass es mir jemand über drei Ecken erzählt hat.“ Andere Spielerinnen lassen sich im Vergleich von ihrem Team beraten und folgen einfach den Anweisungen und Taktik-Ideen ihrer Coaches. Für Siegemund selbst ist das aber keine Option: „Das bin nicht ich.“

Nichtsdestotrotz versucht sie aber gegenüber den Vorschlägen ihres Lebensgefährten Antonio Zucca, der gleichzeitig ihr Coach ist, offen zu bleiben – auch wenn das nicht immer so war, wie sie schmunzelnd zugeben muss. Denn als Spielerin-Coach-Duo, das auch eine private Beziehung verbindet, haben es die beiden nicht immer leicht. „Es ist eine schwierige Geschichte und schwer, eine Balance zu finden. Wenn es so bombig läuft, wie gerade, dann gibt es nicht viel, wo man aneinander eckt“, erklärte sie. „Aber es gibt auch Zeiten, wo man es nicht so gut trennen kann und man dann Sachen mit in die Beziehung schleppt. […] Wir teilen ja das ganze Jahr im Prinzip ein Zimmer. Man kann sozusagen keine Luft voneinander haben.“

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2017 haben sich Laura Siegemund und der ehemalige Tennisprofi Antonio Zucca kennengelernt. Nachdem der Italiener seine Karriere beendet hatte, reiste er als Coach & Lebensgefährte mit Siegemund um die Welt.

2017 haben sich Laura Siegemund und der ehemalige Tennisprofi Antonio Zucca kennengelernt. Nachdem der Italiener seine Karriere beendet hatte, reiste er als Coach & Lebensgefährte mit Siegemund um die Welt.

Laura Siegemund: "Ich bin ein Routine-Tier!"

Siegemund betont: „Die Ergebnisse sprechen für sich!“ Doch so war es nicht immer, denn sowohl sie als auch Zucca brauchten anfangs etwas Eingewöhnungszeit, da Siegemund mit ihrer eigenen Herangehensweise wenig Hilfe und Ratschläge zugelassen hatte. „Auch wenn es schwierig für ihn war, hat er über die Zeit akzeptiert, was für eine Spielerin ich bin. Ich bin selbstständig und mache viele Dinge gerne alleine. Ich gucke mir verschiedene Dinge selber an, feile selber an meinem Spiel. Ich bin niemand, der den Coach fragt, was er denkt oder wie ich zu spielen habe.“

Sie weiß:

Ich habe da einen sehr eigenen Kopf und sehr eigene Ideen.

Um damit zurechtzukommen, brauchte auch ihr Coach und Freund etwas Zeit – genauso wie sie Zeit brauchte, seine Ratschläge zu akzeptieren. „Er hat über die Zeit gelernt, dass es wichtig ist, mich mit einzubinden in seine Gedankengänge, wie das Spiel voranzubringen ist.“ Umgekehrt verstand Siegemund selbst: „Ich habe von ihm gelernt, manchmal auch nichts zu sagen und mal zu machen, was er sagt. […] Ich habe gelernt, manchmal auch jemand anderen etwas vorschlagen zu lassen oder seine Ideen zu präsentieren, von denen ich vielleicht erstmal nicht überzeugt bin.“ Nachdem sie dann hin und wieder davon überzeugt wurde, dass es auch anders funktionieren kann, änderte sie minimal ihre Einstellung: „Da bin ich ein bisschen weicher geworden über die Zeit.“

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Man merkt: Siegemund selbst sind ihre Zeit und ihre Gedanken für sich selbst sehr wichtig – so sehr sie ihr Umfeld auch zu schätzen weiß. Und auch wenn sie sich über den Einzug ins Viertelfinale freut, hat sie auch hier einen ganz eigenen Weg, sich für den Erfolg zu belohnen. „Das schönste Gönnen ist für mich, bei dem zu bleiben, was mich am besten auf das nächste Match vorbereitet“, sagte sie. „Ich bin da ein Routine-Tier und habe wenig Lust, in Feierstimmung zu kommen. Das bin nicht ich.“

Sie weiß, dass es ihrem Umfeld manchmal schwerfällt. Deshalb versucht sie auch Zeit, mit ihnen zu verbringen, sei es auf dem Sofa, zum Abendessen oder Cricket-Schauen im TV. Doch irgendwann will Siegemund dann lieber alleine sein. „Es gibt mir Ruhe und tatsächlich auch Freude, gut vorbereitet zu sein, Videos zu gucken oder die ein oder andere Situation im Match noch mal anzuschauen.“ Gelegentlich greift sie dann auch mal zu einem Buch. Denn für die Feierei oder das ganz große Tamtam ist auch nach dem Turnier noch Zeit. „Ich freue mich dann im Nachhinein darauf, Bilder oder Artikel anzuschauen. Die gehen nie verloren. Ich freue mich dann, das Turnier noch mal Revue passieren zu lassen.“

Noch liegt der Fokus aber auf dem Viertelfinale gegen Aryna Sabalenka. Und Siegemunds Taktik bleibt dieselbe: Sie verlässt sich auf niemanden außer sich selbst – und genau das macht sie so stark. Denn: Selbst ist die Frau.