Jannik Sinner London 2024

Am Dienstagnachmittag ereilte die Tenniswelt die Nachricht, dass Jannik Sinner, aktuell die Nummer eins der Herrenweltrangliste, im März 2024 zweimal positiv auf die verbotene Substanz „Clostebol“ getestet wurde. Sinner erhielt kurzzeitig eine Sperre und musste sowohl 400 Weltranglisten-Punkte als auch 292.500 Euro an Preisgeld einbüßen. Zu einer längeren Sperre kam es nicht, da die International Tennis Integrity Unit (ITIA) kein vorsätzliches Verschulden nachweisen konnte.

Noch zu Beginn des Jahres feierte der 23-Jährige seinen bislang größten Karriere-Erfolg mit dem Sieg bei den Australian Open. Knapp zwei Monate später, kurz nach seinem Masters-1000-Sieg in Miami, wurde der Südtiroler dann positiv auf die verbotene Substanz „Clostebol“ getestet. Ein weiterer positiver Test folgte dann einige Wochen später. Die beiden positiven Testergebnisse führten zu einer vorläufigen Suspendierung Sinners.

Allerdings wurde die Suspendierung schnell wieder aufgehoben, da sich die ITIA mit der Erklärung von Sinner zufriedengab, die Substanz sei versehentlich durch Massagen seines Physiotherapeuten aufgenommen worden, der ein rezeptfreies clostebolhaltiges Spray zur Behandlung einer Schnittwunde an seinem Finger verwendet hatte.

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So reagiert die Tenniswelt auf den Anti-Doping-Fall Sinner

Die Entscheidung sowie das Vorgehen der ITIA stieß allerdings bei einigen Tour-Kollegen des Weltranglisten-Ersten auf Verwunderung und Unverständnis.

So schrieb beispielsweise Denis Shapovalov via x (ehemals Twitter): „Unterschiedliche Regeln für unterschiedliche Spieler.“ Worauf der Kanadier vermutlich anspielt, sind die verschiedenen Vorgehensweisen in Dopingfällen bei anderen Spielern. In den meisten Fällen müssen positiv-getestete Profis nämlich eine Suspendierung von mehreren Monaten, wenn nicht sogar Jahren, auf sich nehmen. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich jeder andere Spieler, der wegen verunreinigter Substanzen gesperrt wurde, jetzt fühlt", fügte er hinzu.

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Nick Kyrgios, der verletzungsbedingt auf der Tour fehlt und unterdessen als TV-Experte arbeitete, wurde noch deutlicher: "Lächerlich", schrieb der Australier am Dienstag auf Twitter/X. "Ob es nun versehentlich oder geplant war. Du wirst zweimal mit einer verbotenen (Steroid-)Substanz getestet... du solltest für 2 Jahre gesperrt werden. Deine Leistung wurde gesteigert. Massagecreme.... Yeah super 🙄".

Der Australier setzte sich aber auch weiter mit dem Thema auseinander und reagierte eifrig auf die Reaktionen der Twitter-Community. Als ein User die Frage stellte: „Denkst du ernsthaft, dass ein Nano-Gramm einen Unterschied macht?“, konterte Kyrgios prompt: „Bruh, sie haben wahrscheinlich getestet, als es gerade seinen Körper verlassen hat? Die Menge spielt keine Rolle. Was macht sein Team überhaupt mit so etwas? Spar dir das, er hat 2 Steroidtests nicht bestanden. Sollte gesperrt werden.“

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Liam Broady aus Groß Britannien, schloss sich Shapovalovs Aussage an: „Ob Sinner gedopt hat oder nicht. Das ist nicht richtig. Viele Spieler machen das Gleiche durch und müssen Monate oder JAHRE warten, bis ihre Unschuld festgestellt wird. Kein gutes Bild.“

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Der Fakt, dass ich während der Dauer meines Falls noch nicht einen Fuß auf einen nicht-privaten Tennisplatz setzen durfte, während andere in der gleichen Situation normal spielen und ihre Träume verwirklichen können, verschafft mir keinen Frieden.

Der Pole Kamil Majchrzak, 28 Jahre alt, war selbst in einer ähnlichen Lage wie Sinner. Im Dezember 2022 verkündete die ITIA, dass Majchrzak vorläufig gesperrt wurde, weil der Pole bei den Sofia Open, den Japan Open und dem Seoul Challenger positiv auf verbotene Substanzen getestet worden war. Ein halbes Jahr später, im Juni 2023, erhielt Majchrzak dann eine Sperre von 13 Monaten. Die ITIA räumte aber ein, dass der ehemalige Top 100-Spieler „nicht wissentlich oder absichtlich“ ein Vergehen begangen habe.

Bis Januar 2024 spielte Majchrzak also kein Match auf der Tour. Dann trat er wieder bei ITF- und Challenger-Events an. Dass bei dem 28-Jährigen mit dem Sinner-Fall nun Erinnerungen wach werden, war abzusehen. „Ein paar Stunden vor meinem Match erhielt ich die Infos aus der Tenniswelt, die für mich sehr schockierend und schmerzhaft waren“, schrieb er am Dienstag. „Der Fakt, dass ich während der Dauer meines Falls noch nicht einen Fuß auf einen nicht-privaten Tennisplatz setzen durfte, während andere in der gleichen Situation normal spielen und ihre Träume verwirklichen können, verschafft mir keinen Frieden.“ Weiter fügte er bei: „Vielleicht liege ich auch falsch. Wie auch immer, wen interessiert es schon, wie Spieler denken, die ein niedrigeres Ranking haben.“

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Die ITIA hat das 1000-mal besser gehandhabt als die Mistarbeit mit Simona Halep.

Anderer Meinung ist hingegen der australische Tennisspieler John Millman: „Bevor man voreilige Schlüsse zieht: Jannik Sinner hatte weniger als ein Milliardstel Gramm in seinem System... Ich glaube ihm zu 100 Prozent. Vielleicht sollten wir den Schwellenwert für die Kontamination ändern. Warum schließlich die Aufregung darüber, wenn wir Athleten in allen Sportarten, einschließlich Tennis, erlauben, TUEs (Therapeutic Use Exemptions, Anm. d. Red.) zu missbrauchen?“ Weiter ging Millman auch auf den Doping-Fall um Simona Halep ein: „Außerdem hat die ITIA das 1000-mal besser gehandhabt als die Mistarbeit mit Simona. Jannik ist einer der besten Menschen, die es auf Tour gibt. Lest zumindest den Bericht, bevor ihr ein Urteil fällt.”

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Abgesehen von dem offiziellen Statement seines Managements auf den Sozialen Medien hat Jannik Sinner sich selbst zu dem Fall noch nicht geäußert. Erst am Montag hatte der Weltranglisten-Erste das Masters-Turnier in Cincinnati gewonnen. Nun geht er als Topgesetzter bei dem letzten Grand Slam-Turnier des Jahres, den US Open in New York, an den Start. Dort wird er sich vermutlich den Fragen und Anmerkungen seiner Konkurrenten und der Presse stellen müssen.

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