Jan-Lennard Struff bei den Davis Cup Finals 2024 in Málaga

Steht Jan-Lennard Struff auf dem Tennisplatz, dann knallt es so richtig. Ein hammerharter Aufschlag mit bis zu 220 km/h, eine flache Power-Vorhand und sein Trieb, schnell ans Netz zu kommen, zwingen den Gegner häufig dazu, einen Platz weit hinter der Grundlinie einzunehmen.

Alleine im Jahr 2024 servierte der 34-Jährige 461 Asse, was einem Durchschnitt von knapp zehn Assen pro Match entspricht. Top 20 Spieler wie Ugo Humbert, Lorenzo Musetti, Holger Rune, Stefanos Tsitsipas oder Taylor Fritz bezwang der 34-Jährige 2024 mit genau diesem aggressiven Power-Tennis. Den Topspielern wie Carlos Alcaraz und Daniil Medvedev konnte der Warsteiner ordentlich Probleme bereiten und den ein oder anderen Satz abknüpfen. Struffs Jahresbilanz zeigt: Egal, wer in einem Turnier auf ihn trifft, die Gegner wissen, welche Kanonen-Schläge in jedem Moment auf sie eindreschen können.

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Offensiv, aggressiv & hammerhart: Jan-Lennard Struff zählt zu den Power-Spielern auf der Tennistour.

Offensiv, aggressiv & hammerhart: Jan-Lennard Struff zählt zu den Power-Spielern auf der Tennistour.

Struffs Highlight der Saison 2024: Der erste ATP Titel

Aus Erfahrung kann da in diesem Jahr unter anderem der US-Amerikaner Fritz sprechen. Er traf im Endspiel der BMW Open in München auf den Deutschen. Bevor Fritz überhaupt realisieren konnte, was auf dem Centre Court des MTTC Iphitos passierte, war das Match vorbei. Es war einer der Tage, an denen Struff jeden Ball traf und seinem Gegner um die Ohren schlug. 7:5, 6:3 lautete der Endstand, der gleichzeitig Struffs ersten ATP Titel überhaupt bedeutete. Ein Erfolg – der aus Sicht vieler Tennisexperten und Tourkollegen – längst überfällig war.

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Bei den BMW Open 2024 in München gewann Jan-Lennard Struff nach 15 Jahren auf der Profi-Tour seinen ersten ATP Titel.

Bei den BMW Open 2024 in München gewann Jan-Lennard Struff nach 15 Jahren auf der Profi-Tour seinen ersten ATP Titel.

„Der Titel in München hat geholfen. Mir hat das einen richtigen Boost gegeben, einfach das erste ATP Turnier zu gewinnen, das auch noch mit 33 Jahren“, sagt Struff einige Monate nach seinem Triumph im Gespräch mit Tennis Channel DE. „Vielleicht war es lange überfällig, es hat halt vorher nicht geklappt. Aber es ist einfach schön, dass ich da einen Haken dran machen konnte.“

Als „Struffi“, wie er auf der Tour meist genannt wird, mit Tennis Channel DE spricht, wirkt er aufgeräumt. Er tritt selbstbewusst auf. Trotzdem scheint sein Auftreten das komplette Gegenteil von seinem Spielstil zu sein. Hinter den harten, aggressiven und kraftvollen Schlägen steckt ein ruhiger, bodenständiger, fast schon sanfter Typ. Dennoch ist er gefestigt in dem, was er sagt und tut.

Struff: "Ich wusste damals nicht, ob ich gut genug bin"

Das war allerdings nicht immer so. Denn Struff galt in seiner Jugend und in den jungen Erwachsenenjahren nicht gerade als Ausnahmetalent, dem große Erfolge auf der Tennistour prophezeit wurden. Heute zählt er zu den etablierten Top 50 Spielern der Herrentour und wurde in engen Kreisen als „Mr. Davis Cup“ getauft, da er ein unverzichtbarer und verlässlicher Part für die deutsche Nationalmannschaft geworden ist. Für Nachwuchsspieler wie Justin Engel oder Henri Squire ist er nicht nur ein Trainingspartner, sondern auch ein Spieler, zu dem die jungen Deutschen hinaufschauen. „Ich will durch meine Leistung und Arbeit zeigen, dass man viel arbeiten, Träume und Ziele erreichen kann, auch wenn man vielleicht am Anfang der Jugend nicht so gut war. Man kann immer noch diesen Weg gehen“, sagt Struff.

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„Für mich war es damals so, dass ich eher ein Spieler war, der nicht wusste, ob er gut genug ist. Ich habe mich nicht richtig getraut, größere Turniere zu spielen“, erinnert sich der 34-Jährige. „Aber es war sehr wichtig, das Level bei den größeren Turnieren zu sehen, nach oben und mit guten Spielern zu trainieren.“ Daher Struffs Ratschlag: „Einfach mal machen!“ Dass man dabei nicht immer ausschließlich positive Erlebnisse hat, gehört dazu: „Man muss lernen selbstständig zu werden, Erfahrungen zu sammeln, auch wenn man mal richtig einen draufkriegt. Das ist schon extrem wichtig.“

Daher rät er der jungen Generation dazu, andere Spieler eingehend zu beobachten und aus diesen Beobachtungen zu lernen: „Einfach diese Spieler zu sehen, wie sie arbeiten, was sie machen, Meinungen anhören und einfach präsent sein und alles aufsaugen.“

Dass Struff selbst mittlerweile einer der Spieler ist, zu dem die Jüngeren aufschauen, freut ihn. Es scheint fast, als wäre es ihm ein großes Anliegen, seine Erfahrungen teilen zu dürfen.

Es hat sich alles ein bisschen verschoben. Früher habe ich zu anderen deutschen Spielern aufgeguckt und sie für ihre Intensität und wie sie spielen bewundert. Ich habe versucht, so viel wie möglich für mich rauszuziehen. Jetzt hoffe ich, dass ich auf der Ebene ein Vorbild und eine kleine Inspiration sein kann.

Mit dem 24-jährigen Squire trainiert Struff regelmäßig. Und auch mit Nachwuchshoffnung Engel, 17 Jahre alt, hat Struff unter anderem beim Ultimate Tennis Showdown in Frankfurt, die ein oder andere Trainingssession eingelegt. „Jeder geht seinen eigenen Weg, aber es kann schon manchmal helfen, ein bisschen Input zu haben. Es gibt so viele Dinge auf der Tour, die man vielleicht als junger Spieler nicht gewusst hat oder anders machen würde, wenn man sie eher weiß. Deshalb steht meine Tür immer offen, wenn sie etwas brauchen. Sie können mich immer gerne fragen“, bietet der zweifache Vater an.

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Jan-Lennard Struff über Motivationscoach Netuschil, neue Impulse und die Trennung von Arriens

Das komplette Gegenteil des leisen Wesens Jan-Lennard Struff ist allerdings sein Coach Marvin Netuschil. Seit Anfang 2023 zählt der 33-jährige Ex-Profi zum Team des Warsteiners. „Marvin ist sehr extrovertiert, sehr motiviert, pusht gerne, ist mit Herz und emotional dabei“, beschreibt Struff seinen Coach. „Wir kennen uns seit der Jugend, haben früher Kleinfeldturniere gegeneinander gespielt und auch als er noch Profi war, oft zusammen trainiert.“

Vor allem von dem Fakt, dass Netuschil selbst lange auf der ATP Tour unterwegs war, profitiert Struff. „Ich habe das Gefühl, er steht auch noch ein bisschen auf dem Court wie ich“, stellt der 34-Jährige fest. „Er hat sie Spielerperspektive und möchte am liebsten manchmal selbst zu den Bällen hinrennen und Gas geben. Das transportiert er von außen und pusht mich gut“, so Struff.

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Als Netuschil vor knapp zwei Jahren ins Team von Struff stieß, arbeitete er Schulter an Schulter mit Fitnesstrainer Uwe Liedtke und Struffs langjährigem Wegbegleiter Carsten Arriens. Doch nach über neun Jahren der Zusammenarbeit entschieden sich Struff und Arriens dazu, ab 2025 getrennte Wege zu gehen. „Ich bin so dankbar für die Zusammenarbeit. Carsten hat mich damals in einer Phase übernommen, in der es wirklich schwer war für mich und ich eine kleine Delle hatte“, sagt Struff über seinen ehemaligen Coach. Auch wenn sie ab sofort nicht mehr zusammenarbeiten, so stehen für Struff nach wie vor das gute Verhältnis und der Respekt im Vordergrund. „Es kann nach neun Jahren vorkommen, dass man einfach etwas anderes braucht, andere Worte, eine andere Energie und neue Impulse.“

Bereits im September verkündeten Arriens und Struff das Ende ihrer Partnerschaft, dennoch wollten sie bis zum Ende des Jahres einen würdigen Abschluss finden. „Wir gehen da noch mal mit Vollgas rein und hoffen, einen respektvollen Abschied für eine geile Zusammenarbeit zu finden“, sagte Struff noch im Oktober.

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Mit dem Ende der Saison, die für Struff „positiv“ verlaufen ist, wie er selbst sagt, verkleinert sich sein Team dann auf Fitnesscoach Liedtke und Netuschil. Während Arriens bei Dominik Koepfer einen neuen Job angenommen hat, sieht Struff vorerst davon ab, einen weiteren Trainer zu engagieren. „Uwe deckt auch viele Wochen im Jahr ab, bei meinem ersten Titel in München war er dabei oder auch bei den Australian Open. Deswegen werden Uwe und Marvin das in Zukunft machen. Das passt dann hoffentlich“, freut er sich auf die kommende Saison mit seinem Team.

Struffis große Herzensangelegenheit

Nach über elf Monaten, in denen Struff in diesem Jahr ständig unterwegs war, regeneriert er sich nun gemeinsam mit seiner Familie in der Heimat, bevor er beim Ultimate Tennis Showdown in London (6. bis 8. Dezember) Matchpraxis sammeln will. Kurz vor der Off-Season reiste er aber noch einmal nach Málaga, um für die deutsche Davis Cup Mannschaft anzutreten. Eine absolute Herzensangelegenheit für den 34-Jährigen, der eigentlich eine Tennis-Pause gebraucht hätte.

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Bei den Davis Cup Finals 2024 im November trat Jan-Lennard Struff für das deutsche Team gegen Kanada im Viertelfinale und gegen die Niederlande im Halbfinale an. "Es macht einfach super viel Spaß mit allen zu spielen", sagte Struff.

Bei den Davis Cup Finals 2024 im November trat Jan-Lennard Struff für das deutsche Team gegen Kanada im Viertelfinale und gegen die Niederlande im Halbfinale an. "Es macht einfach super viel Spaß mit allen zu spielen", sagte Struff.

„Es ist schlecht für den Urlaub, für die Erholung, weil der Termin echt schlecht gelegt ist“, erklärt Struff die Schwierigkeiten, überhaupt bei den Davis Cup Finals dabei zu sein. „Das Jahr ist sehr voll. Trotzdem ist es überragend, für Deutschland zu spielen. Das Beste“, begründete er seinen Entschluss in Spaniens Küstenstadt an den Start zu gehen. „Ich möchte super gerne spielen, weil ich es geil finde, im Team zu spielen. Ich habe mit die besten Wochen im Jahr beim Davis Cup. Dann ist der Urlaub eben nur eine Woche lang.“

Es ist genau die Mentalität, die Struff zu „Mr. Davis Cup“ macht: Der Teamgeist, die Hingabe für die Mannschaft und die Charaktereigenschaft, seine eigenen Bedürfnisse hinter die der Mannschaft zu stellen. Mit 34 Jahren zählt Struff mittlerweile längst nicht mehr zu den Nachwuchsspielern des deutschen Teams, sondern eher zum etablierten Stamm-Personal. Und genau das scheint ihm auch bewusst zu sein, weshalb er die Zeit und die Möglichkeiten für Team Deutschland auf dem Platz zu stehen, so selten wie möglich missen möchte. „Es ist leider so, dass die Karriere endlich ist, deshalb möchte ich immer gerne Davis Cup spielen.“

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An ein Karriereende denkt Struff aber noch nicht. Vielmehr steht jetzt die Vorbereitung auf das kommende Jahr im Fokus. Denn nachdem er die Saison 2024 unter den besten 50 Spielern der Welt, genauer gesagt auf Platz 42 beendet hat, will er im kommenden Jahr noch mal richtig angreifen. Dabei blickt er auf sein Highlight des Jahres: seinen ersten Titel bei den BMW Open in München. Sein Ziel: „Ich hoffe, dass das nicht der letzte Titel bleibt“, erklärt er schmunzelnd.