Spain Tennis Madrid Open

Wenn Profi-Tennisspieler mit ihrem eigenen Smartphone ein Foto auf dem Center Court eines großen Turniers schießen, passiert das normalerweise aus einem fröhlichen Grund. Sie sind gerade erst neu zu einem Turnier angereist, schlagen im Vorfeld des Turniers einige Trainingsbälle im Stadion und wollen ihre Fans auf Social Media mit dem Foto daran teilhaben lassen. Sie haben gerade einen großen Titel gewonnen, zücken ihr Smartphone und strahlen auf dem Selfie mit der funkelnden Trophäe um die Wette. In Ausnahmefällen zücken die Tennisstars ihr Handy auch mal, um ein Foto mit einem wilden Leguan zu erhaschen, der es sich auf der Anzeigetafel bequem gemacht hat – wie Tommy Haas vor acht Jahren in Miami.

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Jetzt aber ganz frisch im Trend: Innerhalb eines laufenden Matches die Handy-Kamera herausholen, um „Erinnerungsfotos“ von Ballabdrücken zu machen – um zu zeigen, wie sehr das in dieser Saison neu eingeführte Electronic Line Calling auf Asche teilweise daneben liegt – angeblich. Das jüngste prominente Opfer der Technik: die deutsche Nummer eins Alexander Zverev beim Madrid Masters – unterstützt von zahlreichen Kolleginnen und Kollegen auf der Tour.

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Zverev kassierte eine Verwarnung dafür, dass er sein Handy zückte und einen Ballabdruck fotografierte.

Zverev kassierte eine Verwarnung dafür, dass er sein Handy zückte und einen Ballabdruck fotografierte.

„Bitte komm runter und sieh es dir an!“, flehte Zverev Stuhlschiedsrichter Mohamed Lahyani in der Runde der letzten 32 gegen Alejandro Davidovich Fokina an und berührte ihn bittend am Handgelenk. „Ich kann nicht“, antwortete der Schwede beinahe mitleidig. Zuvor hatte Davidovich Fokina einen Stopp des Deutschen erlaufen, den Ball gerade noch so errutscht und ihn mit viel Slice auf die Seiten-Aus-Linie gelegt – oder etwa nicht?

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„Ich werde mit den Verantwortlichen sprechen, ich werde mit der ATP sprechen, denn […] das ist nicht normal. Dass ein Fehler wie dieser bei ein oder zwei Millimetern passiert, ja, verstehe ich, aber vier, fünf Zentimeter sind nicht normal“, war sich Zverev in der anschließenden Pressekonferenz seiner Sache sicher. So sicher, dass er auch noch während des Matches eine Verwarnung in Kauf nahm, um seinen Standpunkt bildlich festzuhalten.

Der Schnappschuss landete anschließend im Netz: „Ich lasse das einfach mal hier. Der wurde gut gegeben. Interessante Entscheidung 🤔🤔", kommentierte der Weltranglisten-Zweite das Foto in seiner Instagram-Story.

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„Ich schlafe gerne!“ Zverev über Rituale vor dem Spiel

Eigentlich sei er Fan des Electronic-Line-Calling-Systems, aber: „Ich glaube ehrlicherweise, dass da ein Defekt im System war. In dem Moment war ein Fehler im System.“ Zverev wisse auch, dass der Stuhlschiedrsichter in so einer Situation nichts für ihn hätte tun können: „Wenn so etwas passiert, sollte der Schiedsrichter vielleicht von seinem Stuhl herunterkommen dürfen. Aber das ist nicht die Schuld des Schiedsrichters. Der Schiedsrichter kann nichts tun. Was kann er denn tun? Wenn er laut den Regeln nicht herunterkommen darf, dann darf er auch nicht mehr herunterkommen.“

Zustimmung von Zverevs Tennis-Kollegen

Die Reaktionen seiner Profi-Kollegen auf diese Situation ließen nicht lange auf sich warten. Donna Vekic äußerte ihr Unverständnis auf X: „Es ist so verrückt, dass die Schiedsrichter nicht berechtigt sind, dies zu überstimmen! Wahnsinn“.

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John Millman schrieb: „Ich glaube, meistens nimmt das Electronic Line Calling den Spielern den die Zwiegespräche im Kopf ab… bis dies passiert.. ohne Zweifel passieren solche Entscheidungen wöchentlich…“

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Und auch die deutsche Tennislegende Boris Becker äußerte sich zu dem Ausfall: „Ganz klar AUS“ teilte er die Meinung von Zverev.

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Doch nicht alle in den Sozialen Medien teilen diesen Standpunkt. Ein User auf der Plattform reddit wirft die Frage in den Raum, ob Zverev überhaupt den richtigen Abdruck markiert habe. Wenn man sich die Slow-Motion-Aufnahme des Ballwechsels angucke, könne man auch zu dem Schluss kommen, dass Zverev den falschen Ballabruck fotografiert habe, argumentiert er.

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So oder so: Nach einer engen Partie konnte Zverev das Spiel trotz der strittigen Situation in drei Sätzen für sich entscheiden. Als nächstes wartet im Achtelfinale am Dienstag (29. April) Francisco Cerundolo auf die deutsche Nummer eins. In beiden bisherigen Partien gegen den Argentinier hat Zverev bislang den Kürzeren gezogen.

Lys und Azarenka auf Kriegsfuß mit dem Electronic Line Calling

Zverev ist aber längst nicht der Einzige, der mit dem Electronic Line Calling auf Asche in Madrid haderte. Auch die deutsche Nummer eins der Frauen, Eva Lys, zweifelte nach ihrer 2:6, 2:6-Niederlage gegen Jessica Pegula das System an. „ELC sagte, der ist drin… das war ein Aufschlag, der Aus war. Was denkt ihr? 😀😀😀😀😀😀😀😀“, schrieb sie auf X.

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Eine weitere Spielerin, die in Madrid unzufrieden mit dem System war, ist die ehemalige Weltranglisten-Erste Victoria Azarenka. Sie hielt ihren Ärger aber kurz und knapp: „Ist dieser Ball drin oder aus?“

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Ist das System also doch noch nicht ausgereift genug, um mit den Unebenheiten von Sandplätzen klarzukommen?

Das sagt die ATP zum Electronic Line Calling

Die ATP ist jedenfalls überzeugt von der Technik. In der Sandplatzsaison 2025 kommt sie zum ersten Mal flächendeckend zum Einsatz. Bereits bei der Ankündigung dieses Schrittes im Jahr 2023 sprach ATP-Präsident Andrea Gaudenzi davon, dass das System „ein Meilenstein für unseren Sport“ sei. „Wir haben reifliche Überlegung da reingesteckt. Tradition ist das Herzstück des Tennissports und die Linienrichter haben im Laufe der Jahre eine wichtige Rolle im Spiel gespielt. Dennoch haben wir die Verantwortung, Innovationen und neue Technologien anzunehmen. Unser Sport verdient die präziseste Form der Schiedsrichterei und wir freuen uns, dass wir dies ab 2025 auf der gesamten Tour anbieten können.“