Lorenzo Giustino

Mit 33 Jahren hat Lorenzo Giustino die Entwicklung der ATP Challenger Tour so intensiv miterlebt wie nur wenige andere. Der in Neapel geborene Italiener, der seit vielen Jahren mit seiner spanischen Frau in Barcelona lebt und inzwischen Vater einer kleinen Tochter ist, tritt nach wie vor mit derselben Leidenschaft an, die ihn 2019 bis auf Platz 127 der Weltrangliste führte.

Am Rande der XC Copa Real Club de Tenis de Oviedo — ein traditionsreiches ITF World Tennis Tour Event in Nordspanien — sprach Giustino über die Veränderungen im Profi-Tennis seit seinem Debüt im Jahr 2007.

„Früher gab es viel weniger Turniere und auch weniger Spieler“, erinnert er sich. „Um Geld zu verdienen, musstest du unter den Top 80 stehen. Heute kannst du das schon, wenn du in den Top 200 bist.“

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Was ist eigentlich die ATP Challenger Tour?

Veränderungen bei Material und Spielstil

Auch die Entwicklung des Materials habe den Sport geprägt.

„Es ist heutzutage leichter, Tennis zu spielen, weil sich die Bälle verändert haben. Sie sind langsamer geworden und einfacher zu kontrollieren. Aber ehrlich gesagt gibt es keine richtig guten Bälle mehr. Das Spiel ist insgesamt langsamer geworden, die Zuschauer sehen dadurch längere Ballwechsel. Früher lag die Durchschnittsgeschwindigkeit der Winner bei 162 km/h, heute sind es nur noch 122 km/h. Man muss sich daran anpassen. Für große Spieler ist es ein Vorteil, weil sie leichter mehr Tempo erzeugen können.“

Ein weiterer Unterschied: die Professionalität:

Heute reist praktisch jeder mit Coach und Physiotherapeut zum Turnier. Früher ist kaum jemand ins Fitnessstudio gegangen. Am Ende entscheiden oft die berühmten ‚zwei Prozent‘: Wenn du zwei Prozent der Punkte mehr machst als dein Gegner, gewinnst du ein Match. Und um ein Turnier zu gewinnen, musst du eben diese zwei Prozent besser sein als alle anderen.

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Der größte Triumph in Almaty

Giustinos größter Karriereerfolg kam 2019, als er im kasachischen Almaty den Argentinier Federico Coria besiegte und seinen ersten und bisher einzigen ATP Challenger Tour Titel gewann.

„Das war ein sehr schönes Turnier mit tollen Plätzen. Durch die Höhe war es ziemlich anspruchsvoll. Aber ich habe in diesem Jahr mein bestes Tennis gespielt. Ich stand fast in den Top 100, gehörte zu den besten Challenger-Spielern, habe viele Matches gewonnen. Neben dem Titel habe ich noch drei weitere Finals erreicht und wirklich konstant stark gespielt.“

Doch die Freude währte nicht lange: Eine Ellenbogenverletzung bremste den Italiener aus.„Es ging vom Sprung Richtung Top 100 bis zu dem Punkt, an dem ich dachte, vielleicht nie wieder Tennis spielen zu können“, erklärt Giustino, den im Anschluss an seinen Erfolg in Zentralasien eine Ellbogenverletzung ausbremste.

Familie als neue Motivation

Trotz Rückschlägen treibt ihn die Motivation weiter an, auch weil sein neues Familienleben für zusätzliche Perspektive sorgt.

„Ich möchte noch einmal bei Grand-Slam-Turnieren dabei sein. Aber es geht nicht mehr nur um Tennis. Ich bin seit über zehn Jahren ständig unterwegs, das ist nicht leicht. Vielleicht will ich in Zukunft einfach mehr Zeit zuhause mit meinem Kind verbringen. In den letzten Wochen haben sie mich auf der Tour begleitet, und das hat mir sehr viel Energie gegeben. Vielleicht genieße ich deshalb noch ein paar Jahre mehr.“