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Alexander Zverev zieht Bilanz: "Habe ein kleines Ziel erreicht"
Der Weltranglisten-Zweite analysiert gemeinsam mit seinem Bruder Mischa und Matthias Stach die Höhen und Tiefen der Saison 2024.
VonTENNIS.com
Veröffentlicht Nov. 26, 2024
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Er war der Spieler, der in der Saison 2024 die meisten Matches bestritt. 89-mal betrat er in diesem Jahr den Tennisplatz – so häufig wie kein anderer Tennisprofi. Er fuhr 68 Siege bei 21 Niederlagen ein und beendete das Jahr mit einer Gewinnquote von 76,4 Prozent. Er erreichte das Finale der French Open, stand im Halbfinale der Australian Open und war bei den Masters-Turnieren in Rom und Paris erfolgreich. Als zweiter Spieler nach Jannik Sinner qualifizierte er sich bereits im September für die ATP Finals in Turin, wo er schließlich das Halbfinale erreichte. Damit beendete er das Jahr auf Platz zwei der Weltrangliste.
Die Rede ist von Alexander Zverev, dem aktuell zweithöchstplatzierten Tennisspieler der Welt. Auf diesem Weltranglistenplatz sieht sich der 27-Jährige selbst aber nicht wirklich, wie er als Special Guest in der 18. Episode von Volleys & Tweeners mit Mischa Zverev und Matthias Stach erzählt. Gemeinsam mit dem TV-Kommentator und seinem Bruder lässt Zverev das Jahr Revue passieren: Seine Erfolge, Verletzungen und Weiterentwicklung. Dabei spricht er auch Probleme auf der Tour an, analysiert seine größten Konkurrenten und blickt auf Momente mit Rafael Nadal, die er bis heute nicht vergessen hat.
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Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder für Grand Slams oder Masters-Turniere mitspielen werde und ob ich jemals wieder dieses Niveau erreichen kann.
„Wenn ich dir zu einer krassen Saison gratuliere, nimmst du das an?“, fragt Podcaster Matthias Stach neugierig in Richtung Alexander Zverev. „Krass? Nein!“, entgegnet dieser trocken. Es ist genau die Attitüde, für die Zverev bekannt ist: Er will immer besser werden, noch mehr arbeiten und sein Durst scheint erst dann gestillt, wenn er seinen großen Traum von einem Grand Slam Titel erfüllen kann.
Auch wenn er diesen Traum in diesem Jahr wieder nicht erreicht hat, was ihn nach wie vor trübt aber gleichzeitig weiteranspornt, gibt es einige wenige Dinge, auf die er positiv zurückblickt. Dabei spielt er vor allem auf die Entwicklung seit seiner Verletzung im French Open Halbfinale 2022 in Paris an. „Ich habe viele Fragen, die ich in meinem Kopf hatte, in diesem Jahr beantworten können“, erklärt er. „Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals wieder für Grand Slams oder Masters-Turniere mitspielen werde und ob ich jemals wieder dieses Niveau erreichen kann. Ich glaube, diese Frage habe ich mir dieses Jahr beantwortet.“
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Alexander Zverev: Der Vielspieler, der Rückschläge mit Bravour meistert
Darüber scheint er mehr als zufrieden zu sein. Dennoch stellt er fest: „Der ganz große Titel hat dieses Jahr noch gefehlt, auch wenn ich nur einen Satz davon entfernt war.“
Für den Vielspieler war es mit die längste Saison überhaupt. Zu 89 Einzelmatches kamen noch sieben Turniere, bei denen er im Doppel antrat, meist an der Seite von Kumpel Marcelo Melo. Zudem spielte der 27-Jährige beim Laver Cup im September in Berlin. Inmitten dieser ganzen Matches und der Reisestrapazen musste er dann einige Rückschläge einstecken: die Nachwehen seiner Verletzung von 2022 am Knöchel, eine weitere Verletzung am Knie, die er sich in Wimbledon zugezogen hatte und eine Lungenentzündung – alles in den Hochphasen der Saison, wie sein Bruder Mischa feststellte.
Diese Rückschläge oder vermeintlichen Einschränkungen hielten den gebürtigen Hamburger aber nicht davon ab, weiterhin sein Bestes auf dem Tennisplatz zu geben und seine Ziele akribisch zu verfolgen, was auch sein Bruder bemerkte: „Es ist noch keine perfekte Saison. Nicht, weil ich nicht zufrieden bin, sondern weil ich weiß, dass er noch besser spielen und noch mehr gewinnen kann“, sagt der 37-Jährige. „Er hat sich verbessert seit der Verletzung – alle drei bis vier Wochen kam der Punkt, an dem er besser gespielt hat als vorher. Dieses Jahr zum Beispiel: Sein Tennis auf Rasen. Er hat so gut gespielt auf Rasen, vor allem in Wimbledon.“
Er fügt an: „Ich bin sehr stolz auf ihn, das war eine sehr schöne Saison.“
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Alexander Zverev: „Sinner hat das beste Jahr gehabt – mit Abstand“
Ein bisschen gnädig kann Zverev mit sich selbst dann doch auch sein: „Ich habe ein kleines Ziel von mir erreicht und das Jahr als Nummer zwei der Welt beendet.“ Vor ihm steht lediglich Jannik Sinner auf Platz eins mit 11.830 Punkten, zwei Grand Slam Siegen im Jahr 2024 und sechs weiteren ATP Titeln. Zverev belegt mit 7.915 Punkten Rang 2 und auf Rang 3 folgt Carlos Alcaraz mit 7.010 Punkten.
„Sinner hat das beste Jahr gehabt – mit Abstand. Er hat zwei Grand Slams, drei Masters-Titel und die World Tour Finals gewonnen“, so Zverev. „Ich würde dann immer noch sagen, dass Carlos das zweitbeste Jahr gehabt hat, weil er einfach zwei Grand Slams gewonnen hat.“
Ich komme als drei und habe von den Resultaten und der Spielweise her einen Abstand zu dem Rest.
Stach wirft ein: „Obwohl du die zwei bist!“ Zverev erklärt: „Jetzt kommen wir zum Thema. Der hat zwei Grand Slams gewonnen, Indian Wells und den Rest des Jahres hat er 1000 Punkte gemacht. Er hat kein stabiles Jahr gehabt.“
Dennoch hegt er eine große Anerkennung für den Spanier: „Ganz ehrlich: Gewinne ich Roland Garros und Wimbledon nächstes Jahr, brauche ich kein einziges Match mehr gewinnen. Das ist für mich auch okay. Aber trotzdem: Zwei Grand Slams zu gewinnen, das ist eine Benchmark, die ich nicht geschafft habe und er schon“, sagt Zverev. „Deswegen ist Sinner Nummer eins, Carlos Nummer zwei, was die Resultate in diesem Jahr angeht. Ich glaube, dass ich dann als drei komme und dass ich von den Resultaten her und von der Spielweise einen Abstand habe zu dem Rest.“
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Ich muss jetzt das Halbfinale bei den World Tour Finals spielen, aber ich möchte eigentlich im Bett bleiben.
Hinter ihm folgt auf Platz vier Taylor Fritz, gegen den er noch im Halbfinale der ATP Finals, seinem letzten Turnier der Saison, in Turin knapp verloren hat. An genau diese Begegnung sowie das dritte Gruppenmatch gegen den Weltranglistendritten erinnert sich Zverev genau. Denn vor allem auf die Revanche gegen Carlos Alcaraz hatte er lange gewartet. Immerhin blieb ihm diese seit dem French Open Finale Anfang Juni, das Zverev in fünf Sätzen verlor, verwehrt.
„Ich habe sechs Monate darauf gewartet, nochmal gegen Carlos zu spielen. Ich habe mich auf das Match gefreut und mich gut vorbereitet. Dann habe ich ein super Match gespielt. Das haben wir beide. Es war hohes Niveau“, sagte Zverev, der seinen Tourkollegen mit 7:6, 6:4 bezwang.
Allerdings sah er nicht kommen, was im Anschluss passierte: „Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht und hatte das Gefühl, ich möchte weiterschlafen. Ich muss jetzt das Halbfinale bei den World Tour Finals spielen, aber ich möchte eigentlich im Bett bleiben. Das Warm-Up war mühsam. Ich habe zu meinem Fitnesstrainer gesagt: Ich bin so leer“, beschreibt er.
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Aber wie erklärt er sich diesen Zustand? „Ich glaube, das Adrenalin ist einfach aus meinem Körper gegangen. Es ist sehr schwierig, dann noch mal hochzufahren und auf dasselbe Niveau zurückzukommen.“ Mit drei Siegen in der Gruppenphase qualifizierte sich Zverev schließlich für das Halbfinale, wo er Fritz begegnete. „Ich habe lange gebraucht, um in das Match reinzukommen“, so Zverev. „Das habe ich zwar irgendwann geschafft, aber in einem Dreisatz-Match ist es dann irgendwann zu spät.“ Das erklärte dann auch die knappe Dreisatz-Niederlage gegen den US-Amerikaner.
Matthias Stach: „Unfassbar, was für eine Maschine du bist!“
Nach dem verlorenen Halbfinale ging es für Zverev dann nach einem kurzen Abstecher im Allgäu für den Gala-Abend seiner Foundation in den wohlverdienten Urlaub auf die Malediven – eine Gewohnheit, die seit Jahren genauso bei Familie Zverev stattfindet. „Einen Tennisschläger nehme ich jetzt die nächsten drei Wochen nicht in die Hand“, bestätigte Zverev. Vielmehr stünde jetzt die Erholung, der Spaß und die Zeit mit den Liebsten im Fokus.
Neben Tauchen will der 27-Jährige auch Padel spielen und jeden Tag ins Fitnessstudio gehen. „Fitnessstudio“ ist das Stichwort, auf das Stach anspringt. Wie er festgestellt hat, hat der beste deutsche Tennisspieler nämlich einen starken Oberkörper bekommen. „Unfassbar, was für eine Maschine du bist“, wirft Stach in den Raum.
„Aber nicht, weil ich es gewollt habe“, kontert Zverev. „Ich versuche es jetzt mehr oder weniger rückgängig zu machen. Ich wiege zu viel. Ich wiege 92 Kilo und habe 6,1 Prozent Fett. Es ist nicht so, dass ich fetter geworden bin, sondern ich habe einfach irgendwas am Oberkörper, was ich nicht haben möchte“, erklärt er.
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Das hat Zverev 2024 geändert bzw. verbessert
Bewusst verbessert hat Zverev im Laufe der Saison aber seinen Vorhand Return. „Es gab in den letzten Jahren Matches, wo man mir nur auf die Vorhand aufgeschlagen hat, weil ich einmal im ganzen Match ins Feld returniert habe“, erinnert er sich. „Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Ich fühle mich auch wohl bei meinem Vorhand-Return.“
Anders als beim Volleyspiel, Angriffsschlägen und der Transition zum Netz, welche laut Zverev selbst einiges mit Selbstvertrauen zu tun haben, habe er viel Arbeit in seine ehemalige Vorhand-Return-Schwäche gesteckt: „Man muss sagen, dass aggressive Spielen und das ans Netz gehen, kommt mit Selbstbewusstsein“, erklärt er. „Der Vorhand-Return ist wirklich ein Schlag, den ich stundenlang auf dem Trainingsplatz übe. Das ist ein Schlag, den du verbessern musst.“
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Zverev über die Ball-Problematik und seinen Schlägerwechsel
Ein weiteres Thema, in das der 27-Jährige viel Zeit investiert hat, ist die Problematik der Bälle, die bereits viele seiner Tourkollegen angesprochen haben. Er beschreibt das Problem: „Vor fünf bis sechs Jahren haben wir mit Tennisbällen gespielt, wo man die Bälle kontrollieren musste. Jeder hatte genug Power. […] Seit Covid hat sich das Material von den Bällen verändert, und zwar nicht der Filz, sondern das Gummi. Das bedeutet: Nach fünf oder zehn Minuten ist der Ball tot, du hast das Gefühl, du spielst mit einem Kinderball, den Softbällen, mit denen man früher U10-Turniere gespielt hat.“
Die Bälle sind eine Vollkatastrophe.
Da er die Bälle nicht ändern kann, änderte Zverev stattdessen das Werkzeug, mit dem er auf die Bälle eindrischt. „Mein Schläger war der beste Schläger vor 5-6 Jahren. Jetzt und das war ein Thema bei allen anderen Spielern, sind die Bälle eine absolute Katastrophe geworden. Ich habe eigentlich keinen Grund, mich zu beschweren, denn ich bin die Nummer zwei der Welt. Und trotzdem kann ich es bestätigen, die Bälle sind eine Vollkatastrophe.“
Also rief er bei seinem Ausrüster HEAD an und fragte nach schnellen Racket-Varianten mit einem 20x18 Saitenbild. Gleich nach dem Masters-Event in Shanghai testeten er und sein Bruder neun verschiedene Rackets und statteten sich neu aus. Bis er sich an den Schläger gewöhnt hatte, dauerte es allerdings ein paar Turniere. Nach eher durchwachsenen Partien (seiner Meinung nach) gegen Lorenzo Musetti in Wien und Arthur Fils in Paris überlegte Zverev ständig zu seinem alten Spielgerät zurückzukehren. Die Wende kam dann aber im Viertelfinale gegen Stefanos Tsitsipas des Paris-Masters.
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„Da spiele ich ein gutes Match. Ich hatte den Ball unglaublich im Schläger. Dann spiele ich ein gutes Halbfinale, ein Wahnsinns-Finale und dann die World Tour Finals. Dann war klar, ich spiele jetzt mit dem Neuen.“
Und genau mit diesem neuen Schläger, einer gehörigen Portion Selbstvertrauen und nach einer dreiwöchigen Erholungspause auf den Malediven will Zverev dann Ende Dezember beim United Cup in die neue Saison starten und im Anschluss seinen langersehnten Traum von einem Grand Slam Titel weiterverfolgen.
Wer ihm dabei den Weg versperren könnte, bespricht er auch in der 18. Episode von Volleys & Tweeners. Weitere Themen: Eine spezielle Begegnung mit Rafael Nadal, die Rollen-Verteilung im Team Zverev und die Entwicklung des Tennissports über die vergangenen Jahre.
Die ganze Episode könnt ihr mit Video auf tennischannel.de sehen oder auf allen gängigen Podcast-Plattformen hören.